Neben den Zeitungen, die ich direkt beziehe, schaue ich alle paar Stunden im Web bei einer Reihe von Zeitungen und Nachrichtenmagazinen nach, was Neues gemeldet wird. Zudem beliefert mich Google-Alert zu einer Vielzahl von Stichworten mit Links zu aktuellen Meldungen und Ereignissen.

Wenn ich dann aber die darunter befindlichen Kommentare und Blogdiskussionen lese, erschauere ich. Neben manchem fachlichen Beitrag oder freundlicher Nutzung der Meinungsfreiheit finde ich dort übelste Gosse, hässliche Sprache, Beschimpfungen und Schlagabtausche. Mit dem Hauch der Anonymität scheint alles erlaubt zu sein, was die Sprache hergibt. Menschen urteilen über andere Menschen, von denen nur den letzten Kommentar im Blog kennen, Feststellungen, der andere sei strohdumm, unverbesserlich, egoistisch oder gefährlich.

Während ein Antidiskriminierungsgesetz das andere jagt, obwohl dadurch nirgends ein respektvolleres oder gar liebevolleres Verhalten dem anderen gegenüber entsteht, scheint das Diskriminieren in Webdiskussionen erst richtig in Fahrt zu kommen. Theoretisch sagt die Netiquette vieler Blogs und Medien natürlich etwas ganz anderes, aber in der Realität lassen die Blogger dem Bösen in ihrem Herzen freien Lauf.

Wenn ein Pastor oder Bischof über die Zehn Gebote predigt und Menschen einen ‚Beichtspiegel’ vorhält  (oder erst recht wenn er dabei nicht – wie eigentlich gelernt – eine die Menschenwürde respektierende Wortwahl wählt), fällt die Presse über ihn her. Gemessen aber an der Sprache der Kommentare und Blogs, insbesondere solchen, die mit Pressemedien verbunden sind, ist alles, was er möglicherweise gesagt hat, ein freundlicher Hinweis.

Hunderttausende Kommentarschreiber nutzen die neuen technischen Möglichkeiten nicht, um in einer demokratischen Gesellschaft die Diskussion zu fördern und die Beteiligung (fast) aller am öffentlichen Diskurs zu ermöglichen, sondern um verbal gegen alle und jeden aufzurüsten, der anders denkt. Nebensächliche Fragen, in denen man wirklich so oder so denken kann, werden zum Anlass, dem anderen sein Menschsein abzusprechen und ihm – freundlichsten Falls – zum Auswandern aufzufordern – bekanntlich eine beliebte Aufforderungen in Kommentarseiten und Blogs.

Ist das Demokratie, dass jeder jeden nach Belieben beschimpfen kann? Wird der sich dort zeigende Hass auf politisch Andersdenkende wirklich auf Dauer nur im Web bleiben oder wird nicht irgendwann auch den tatsächlichen täglichen Umgang miteinander prägen? Können die Tugendwächter unseres Landes, die aller Orten auf politische Korrektheit achten, selbst aber oft in Kommentaren und Blogs übel austeilen, nicht diesen Hass angehen?

Jesus sagt in Matthäus 24,12:

„Weil die Gesetzlosigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten.“

Wir erleben im Web zunehmend, wie Menschen ihren bösen Gedanken freien Lauf lassen und die Abwesenheit von Gesetz und Gebot zu einer grenzenlosen Lieblosigkeit führt, die unsere Demokratie eines Tages unterspülen könnte. Denn Demokratie als Meinungsvielfalt ist zu begrüßen, Demokratie als prinzipielle Respektlosigkeit, die dem Andersdenkenden die Würde nimmt, ist keine der Menschenwürde würdige politische Struktur. Nur sind es gerade die demokratisch gewählten Politiker, die in ihrem Reden übereinander Vorbild für Hassblogger und Verleumder sind.

Da ist die häufige Warnung der Bibel vor Verleumdung und Gerüchten zwar uralt, aber aktueller denn je. Menschen können durchaus gleichzeitig der Wahrheit verpflichtet sein und sich kontrovers auf die Suche nach ihr machen, und zugleich in Liebe respektvoll miteinander umgehen. Siehe dazu meinen Aufsatz „Gerüchte trocken legen“: MBS Text 005.

 

Ein Kommentar

  1. […] Vor 2,5 Jahren habe ich bereits einmal über die „Hassgesellschaft“ geschrieben, wie sie sich immer stärker in den Internetforen manifestiert (hier). […]

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