Diese Meldung stammt ursprünglich aus dem Jahr 2016 und ist bisher nicht in meinem Blog erschienen.

(Bonn, 22.08.2016) Die pakistanische Menschenrechtsanwältin Aneeqa Anthony hat nach der letzten Generalaudienz vor der Sommerpause Papst Franziskus einen bemalten Ziegelstein als Symbol für die zahlreichen in Ziegeleien versklavten Christen in Pakistan übergeben. Der internationale Präsident der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Thomas Schirrmacher, und die Leiterin der Abteilung für Religionsfreiheit der IGFM, Michaela Koller, hatten das Treffen arrangiert und die Anwältin begleitet.

Der „Stein des Anstoßes“ wurde von drei christlichen Kindern gestaltet, deren Mutter Shama Bibi (26) und Vater Shahzad Masih (28) Anfang November 2014 von einem Mob verprügelt und lebendig im Ziegelofen verbrannt wurden. Anthony vertritt die Kinder vor Gericht.

Das christliche Ehepaar wurde beschuldigt, Seiten aus einer Koranausgabe verbrannt zu haben. Wie Sklaven arbeiteten auch sie in einer Ziegelei. Der Eigentümer hatte laut Polizeierkenntnissen einen islamischen Prediger dazu angestiftet, das Ehepaar öffentlich der Blasphemie zu beschuldigen. Ein fanatisierter Mob zerrte sie schließlich um die Ziegelei herum, schlug sie halbtot und stieß sie anschließend in einen Ziegelofen, wo sie zu Tode kamen. Als „barbarischen Akt“ hatte seinerzeit Kardinal Jean-Louis Tauran, Präsident des Päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog, die Tat bezeichnet und islamische Autoritäten aufgefordert, die Tat zu brandmarken. Schirrmacher hatte sich am Tag vorher mit Kardinal Tauran getroffen.

Aneeqa Anthony bat Papst Franziskus bei ihrer persönlichen Begegnung am Rande der Audienz:

„Heiliger Vater, dieses bescheidene Souvenir aus meinem Heimatland haben Kinder von Sklaven gestaltet, die, wie übrigens viele Christen, in einer Ziegelei schufteten. Sie mussten miterleben, wie ihre Eltern im Ziegelofen verbrannt wurden. Meine Anwaltskollegen und ich sorgten dafür, dass die Verdächtigen hinter Gitter kommen. Wir alle sind nicht mehr sicher in unserer Heimat. Pakistan ist kein sicheres Herkunftsland – nicht für uns Christen und vor allem nicht für die Kinder von Shama und Shahzad. Mögen sich doch die europäischen Staaten nicht vor den geplagten Christen abschotten. Helfen Sie uns, deren Regierungen zu überzeugen!“

Am 16. April kam der Hauptverdächtige des Lynchmordes gegen Kaution frei. Die Kinder, inzwischen im Alter von drei, fünf und sieben Jahren, wären fast mitverbrannt worden. Beobachter befürchten, dass aus dem Umfeld der Verdächtigen ein Racheakt verübt werden könnte: Anfang Dezember hatte ein wichtiger Imam in Pakistan eine Todes-Fatwa gegen die Rechtsanwältin Anthony veröffentlicht. Zusammen mit einem Gutachten der Bonner Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher appellierte die IGFM wegen der Todes-Fatwa vergeblich bei der Bundesregierung, Landesregierungen und anderen Stellen, Anthony als gefährdete Menschenrechtsverteidigerin gemäß UN-Vorgaben Asyl zu erteilen oder vorübergehenden Schutz in Deutschland zu gewähren.

Italien hatte Frau Anthony das Visum erst am Tag zuvor erteilt, zunächst den Kindern und dann dem Ehemann aber verweigert. Schirrmacher kommentierte die Verweigerung der Visa für den Ehemann:

„Die Todes-Fatwa scheint Italien weniger beeindruckt zu haben, als die Sorge, die Eltern könnte nicht zurückkehren. Meint Italien ernsthaft, eine Anwältin, die unter Lebensgefahr die Kindern anderer und missbrauchter Frauen vor Gericht verteidigt, würde ihre eigenen Kinder schutzlos dem Regime oder der Rache der Straße zu Hause überlassen?“

Pakistan zählt laut World Slavery Index zu den Top-Five unter den Staaten, die die meisten Sklaven in absoluten Zahlen beschäftigen, viele darunter gehören der christlichen Minderheit von 2,7 Prozent der Bevölkerung an. Die IGFM hofft nun, dass Papst Franziskus bei einem möglichen Besuch in Pakistan die Aufmerksamkeit auf dieses Problem lenken wird.

Auszug aus einem Brief und Gutachten von Christine Schirrmacher zum Fall Aneeqa Maria Anthony an den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung

„… nach meinem Dafürhalten sind die Drohungen gegen die Anwältin Aneeqa Maria Anthony überaus ernst zu nehmen, die sich kürzlich in der Veröffentlichung eines islamischen Rechtsgutachtens (Fatwa) niederschlugen. Ernst zu nehmen zum einen aufgrund der in Pakistan in den vergangenen Jahren stärker werdenden interreligiösen Spannungen und einer inzwischen sehr aufgeheizten Atmosphäre, die insbesondere von fundamentalistisch-islamistischen Gruppierungen für Anklagen und Verleumdungen von Angehörigen der Minderheiten genutzt werden. Schnell ist der Verdacht der Blasphemie gegen missliebige Andersdenkende (reformorientierte Muslime, Ahmadiyya-Anhänger oder Christen) erhoben und von den Betroffenen dann kaum noch aus der Welt zu schaffen. Diese Anklagen enden sehr häufig mit der langfristigen Inhaftierung der Betroffenen und der Bedrohung ihrer Anwälte; kommen die Angeklagten frei oder werden gar nicht vor Gericht gestellt, werden sie sehr häufig bedroht und verfolgt oder kommen sogar durch Lynchjustiz (nicht selten vor oder nach der Gerichtsverhandlung oder im Gefängnis) durch einen aufgehetzten Mob ums Leben.

Dass es den Verfassern der Fatwa gegen Aneeqa Maria Anthony um deren Kriminalisierung unter Vorgabe der Blasphemie geht, zeigt die Wortwahl der Fatwa, die nicht nur von Gotteslästerung spricht (was in Pakistan gesellschaftlich als todeswürdiges Verbrechen gilt), sondern auch von einem Angriff auf die „Blasphemiegesetze“ Pakistans durch Aneeqa Maria Anthony, die ja in § 295-298 die Todesstrafe für jeden fordern, der etwa Muhammad lästert. Diese Worte sind m. E. aber auch deshalb gewählt worden, weil in den letzten Jahren hochrangige Persönlichkeiten, ein Minister und ein Gouverneur, versuchten, die Blasphemiegesetze zu entschärfen – beide wurden auf offener Straße ermordet; seitdem unterblieben weitere Versuche, diese Gesetze zu ändern. Die Fatwa bedroht Aneeqa Maria Anthony in gleicher Weise mit dem Tod, wenn sie ihr ‚Angriff auf und Kritik‘ der Blasphemiegesetze vorwirft. Dabei ist es völlig unerheblich, ob die Fatwa von der genannten Gruppierung stammt oder nicht – ihre Wirkung wird dieselbe sein. Daher befindet sich die Menschenrechtsanwältin Anthony m. E. in unmittelbarer Lebensgefahr.

In meiner Habilitationsschrift habe ich mich ausführlich mit der Thematik der Wirkung der Blasphemy Laws beschäftigt (Christine Schirrmacher. „Es ist kein Zwang in der Religion (Sure 2,256): Der Abfall vom Islam im Urteil zeitgenössischer islamischer Theologen: Diskurse zu Apostasie, Religionsfreiheit und Menschenrechten“, 550 S., Ergon-Verlag, 2015). Ich sende Ihnen anbei einige Auszüge aus dem Text, der die Gefahr, in der sich Aneeqa Maria Anthony befindet, anhand von Beispielen illustriert.“

 

Downloads:

  • Foto 1: Übergabe des Steins (von links): Michaela Koller, Aneequa Anthony, Thomas Schirrmacher, Papst Franziskus
  • Foto 2: Zur Erläuterung erhält Papst Franziskus spanische Bücher von Christine Schirrmacher zum Islam
  • Foto 3: Weitere Begegnung zwischen Papst Franziskus und Thomas Schirrmacher
  • Foto 4: Papst Franziskus und Thomas Schirrmacher im Blitzlichtgewitter
  • alle Fotos: © Osservatore Romano
    Wer die Bilder abdrucken will, muss unter pubblicazioni@ossrom.va um folgende Bilder bitten, die auch unter http://www.photovat.com einsehbar sind: 224537_22062016.jpg, 224544_22062016.jpg, 224577_22062016.jpg, 224657_22062016.jpg
 

Ein Kommentar

  1. i agree with this opinion“ The choice of words of the fatwa show that with regard to Aneeqa Maria Anthony the drafters of the fatwa are addressing criminalization under the allegation of blasphemy. It not only speaks about blasphemy (which in Pakistani society counts as worthy of capital punishment). It also speaks of an attack on Pakistan’s “blasphemy laws” by Aneeqa Maria Anthony, which in § 295-298 call for the death penalty for each individual who, for instance, maligns Mohammad

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert