Aus meinem Buch „Christenverfolgung geht uns alle an“, das es lange nur als Din A4-Heft gab, seit 2011 aber auch als Buch, siehe hier.

„Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.“ Dieses berühmte Wort ist nach dem Kirchenvater Tertullian[1] geprägt worden und uns durch die häufige Verwendung durch den Kirchenvater Augustinus und die Reformatoren geläufig. Er hält den römischen Herrschern entgegen, dass die Verfolgung die Kirche nur vergrößert hat[2]: „Wir werden doch mehr, je öfter ihr uns niedermäht: Ein Same ist das Blut der Christen“ (“semen est sanguis Christianorum”; Apologia 50,12f). Allerdings ist die korrekte Übersetzung: ‚Ein Same ist das Blut der Märtyrer‘.[3]

Schon Jesus hatte bei der Ankündigung der Verfolgung (Lk 21,12-21) in seiner Endzeitrede prophezeit: „Es wird euch aber zum Zeugnis[4] ausschlagen“ (Lk 21,13)[5]. Paulus macht vor allem im Philipperbrief deutlich, dass seine Gefangenschaft und sein Leiden das Evangelium nicht behindert, sondern fördert (Phil 1,12-26): „Ich will aber, Geschwister, dass ihr wisst, dass meine Lage zur Förderung des Evangeliums ausgeschlagen ist“ (Phil 1,12).

Die Frühe Kirche hat dazu gerne das ursprünglich auf Jesu eigenen Tod bezogene Wort Jesu aus Joh 12,24 zitiert: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ Dementsprechend heißt es in einem frühchristlichen Werk: „Siehst du nicht, dass je mehr hingerichtet werden, desto mehr andere hinzukommen? Dies ist offenbar nicht Menschenwerk; dies ist Gotteskraft; dies sind Zeichen seiner Gegenwart.“[6] Und Martin Luther hat denselben Gedanken ähnlich ausgedrückt: „Durch Verfolgung wächst die Christenheit, dagegen, wo Frieden und Ruhe ist, werden die Christen faul und lasch.“[7]

Und tatsächlich hat die erste organisierte Verfolgung der ersten Gemeinde in Jerusalem nur dazu geführt, dass sich die Christen im römischen Reich zerstreuten und sich in Antiochien die ersten Heidenchristen bekehrten, nicht durch die Apostel, sondern durch vertriebene ‚ganz normale‘ Christen (Apg 7,54–8,8)[8]. Auf dem Lausanner Kongress für Weltmission 1974 wurde das so ausgedrückt: „Verfolgung ist ein Sturm, der zugelassen wird, damit der Same des Wortes zerstreut und Sämann und Bauer über viele Felder verteilt werden. Es ist Gottes Weg, sein Königreich auszubreiten.“[9] „Die Verfolgung der Christen und der Kirche war einer der größten Faktoren in der Verbreitung des Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus.“[10]

Die Frucht der Verfolgung kommt also auf verschiedenem Wege zustande. Die Verfolgung kann andere Gläubige stärken (z. B. Phil 1,12), dafür sorgen, dass Menschen das Evangelium hören, an die man sonst nie herangekommen wäre (z. B. Phil 1,13 „das ganze Prätorium“), durch die Zerstreuung der Christen das Evangelium verbreiten (am deutlichsten in Apg 11,19–21; vgl. 8,1) oder durch die Predigt und das Zeugnis der Verfolgten selbst wirken.

In den ersten drei Jahrhunderten waren Soldaten und Offiziere, die Christen waren, besonders gefährdet, aber gerade unter ihnen nahm – beginnend im Neuen Testament – die Zahl schnell zu.[11]

Johan Candelin hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass es in der gegenwärtigen weltweiten Situation oft nicht so ist, dass Christenverfolgung Wachstum der Gemeinden hervorbringt, sondern dass umgekehrt die am schnellsten wachsenden Kirchen in Gebieten ohne Religionsfreiheit sind oder sogar das Wachstum den Neid und die Christenverfolgung im Land auslöst.[12]

Dazu mehr im nächsten Blog.


[1] Vgl. zu Tertullians Märtyrertheologie William Carl Weinreich. Spirit and Martyrdom. University Press of America: Washington D.C., 1981 [Diss. Basel, 1977]. S. 223–272.

[2] Vgl. dazu Adolf von Harnack. Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten. VMA-Verlag: Wiesbaden, o. J. (Nachdruck von 19244). S. 506–510.

[3] Vgl. dazu Hans von Campenhausen. „Das Martyrium in der Mission“. S. 71–85 in: Heinzgünter Frohnes, Uwe W. Knorr (Hg.). Die Alte Kirche. Kirchengeschichte als Missionsgeschichte 1. Chr. Kaiser: München, 1974. S. 79–80.

[4] Dies ‚Zeugnis‘ muss nicht notwendigerweise Bekehrungen bedeuten, sondern kann sich auch auf ein klares Zeugnis oder gar auf ein Belastungszeugnis gegen die Verfolger beziehen.

[5] F. Kattenbusch. „Der Märtyrertitel“. Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft 4 (1903): 111–127, hier S. 112.

[6] Schrift an Diognet 7,8-9, abgedruckt in: Theofried Baumeister. Genese und Entfaltung der altkirchlichen Theologie des Martyriums. Traditio christiana 8. Peter Lang: Bern, 1991. S. 103 (Nr. 40).

[7] Martin Luthers Sämtliche Schriften. hg. von Joh. Georg Walch. Verlag der Lutherischen Buchhandlung H. Harms: Groß Oesingen, 1986 (Nachdruck von 19102). Bd. XIII, S. 1078–1079.

[8] Vgl. dazu bes. Billy Kim. “God at Work in Times of Persecution (Acts 7:54–8:8)”. S. 57–59 in J. D. Douglas (Hg.). Let the Earth Hear His Voice: International Congress on World Evangelization Lausanne, Switzerland. World Wide Publ.: Minneapolis (MN), 1975.

[9] Ebd. S. 57.

[10] Ebd. S. 58; vgl. als Beispiel B. Dyck. „Verfolgung fördert Gemeindewachstum“. Dein Reich komme (Licht im Osten) 2/1983: 5 zu Äthiopien.

[11] Adolf von Harnack. Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten. A. a. O. S. 580.

[12] Johan Candelin. „Christenverfolgung heute“. S. 17–26 in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.). Verfolgte Christen heute: Christen in den Ländern Afrikas, Asiens, des Nahen Ostens und Lateinamerikas. Dokumentation 28. Oktober 1999 Internationale Konferenz … Berlin. Konrad-Adenauer-Stiftung: Berlin, 1999, dasselbe gekürzt: Johan Candelin. „Mundtot Gemachten Stimme geben: Christenverfolgung heute”. Confessio Augustana 1/2000: 13–18 = Johan Candelin. “Persecution of Christians Today”. S. 16–24 in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.). Persecution of Christian Today: Christian Life in African, Asian, Near East and Latin American Countries. Documentation October 28, 1999 Conference Venue … Berlin. Konrad-Adenauer-Stiftung: Berlin, 1999.

 

Ein Kommentar

  1. Ingo D. sagt:

    Die These lautet also:
    Damit sich (geistliche) Klarheit und „Resilienz“ entwickeln kann, bedarf es der Widerstände und Widersprüche aus dem jeweiligen kulturellen Umfeld.
    Verfolgung als „Prüfung“ des geglaubten „Evangeliums“ auf Relevanz und Alltagstauglichkeit?

    Das ist sicher eine von mehreren möglichen Perspektiven.

    Eine andere mögliche: Wenn das Evangelium des Heillandes – wirklich ganzheitliches Heil (für das) Land zu Tage bringt, dann wird auch der kommunikativ-kulturstiftende „zivilisierende“ Umgang der Menschen untereinander in allen Bereichen auf ein höheres Niveau befördert.

    Widerstände und Widersprüche in diesem Prozess, sind dann lediglich Phänomene der Angst, vor dem visionär unbekannten Neuen und zukünftig „Besseren“ für alle, ausgehend von den derzeit herrschenden Eliten, welche um ihren Status-Quo besorgt sind.

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