Schirrmacher nahm an den drei Eröffnungsgottesdiensten des „Heiligen und Großen Konzils“ der Orthodoxen Kirchen in Kreta teil
Anlässlich der Eröffnung des Konzils der Orthodoxen Kirchen auf Kreta hat der Vorsitzende der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz und Moderator für zwischenkirchliche Beziehungen, Thomas Schirrmacher, mehreren Patriarchen seine Aufwartung gemacht. Ebenso begrüßte er die deutschen Teilnehmer des Konzils, den griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos aus Bonn, den rumänisch-orthodoxen Metropolit Serafim und den serbisch-orthodoxen Bischof Sergije. Außerdem nahm er an den drei Eröffnungsgottesdiensten der versammelten Patriarchen und Bischöfe am Wochenende des orthodoxen Pfingstfestes teil, zwei am Pfingstsamstag in Kissamos und Heraklion und dem vierstündigen zentralen Pfingstgottesdienst am Sonntag in der Hagias Minas Kathedrale der Hauptstadt Kretas, Heraklion.
Mit der Feier dieser „Göttlichen Liturgie“, der Abendmahls- oder Eucharistiefeier, begann offiziell das Konzils. Die Liturgie wurde von den zehn anwesenden Häuptern orthodoxer Kirchen gemeinsam gefeiert, die Predigt hielt Patriarch Bartholomäus in neutestamentlichem Koine-Griechisch.
An dem Gottesdienst nahmen auch der Präsident von Griechenland, Prokopis Pavlopoulos, und mehrere Minister und hohe Militärs teil. Der Präsident lud anschließend die Patriarchen zu einem Empfang ein, zu dem auch ausgewählte Bischöfe und als Nichtorthodoxe Olav Tveit, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Thomas Schirrmacher und sein Mitarbeiter Titus Vogt hinzukamen.
Der Ökumenische Patriarch Bartholomäus und der Patriarch von Alexandria Theodorus dankten der Weltweiten Evangelischen Allianz für ihr Zeichen der Solidarität, aber auch des Einsatzes für ihre diskriminierten und verfolgten Kirchen. Sie baten dringend um Fürbitte und Führung durch den Heiligen Geist angesichts der schwierigen Lage des Konzils. Schirrmacher versicherte beiden Patriarchen, dass ihre ökumenische Gesinnung viel zur Gemeinsamkeit der Kirchen weltweit beigetragen habe. Denn die Uneinigkeit innerhalb der Orthodoxie belaste auch die Weltchristenheit, jeder Fortschritt nutze der Christenheit weltweit.
Dokumentiert werden unten die Begegnungen mit folgenden orthodoxen Amtsträgern:
- Bartholomäus, Ökumenischer Patriarch und Erzbischof von Konstantinopel
- Theodoros II., Patriarch von Alexandrien
- Daniel, Patriarch der Rumänisch-Orthodoxen Kirche
- Anastasios, Erzbischof der autokephalen Orthodoxen Kirche von Albanien
- Stephanos, Metropolit von Tallinn und ganz Estland, Oberhaupt der Estnisch Apostolisch Orthodoxen Kirche
- Augoustinos, Metropolit von Deutschland, Exarch von Zentraleuropa, Bonn
Vier Kirchenoberhäupter fehlen
Überschattet wurde das Konzil von der überraschenden Absage des georgischen, des bulgarischen und des antiochenisch-syrischen Patriarchen. Darauf sagte auch der Russisch-Orthodoxe Patriarch mit der Begründung ab, es handele sich nicht mehr um ein panorthodoxes Konzil. Doch Patriarch Bartholomäus und die anderen anwesenden Kirchenhäupter beschlossen trotzdem, das Konzil abzuhalten. Die Gültigkeit des Konzils wird Kirchenjuristen noch lange beschäftigen. – Der serbisch-orthodoxe Patriarch hatte zunächst abgesagt, war dann aber schließlich doch angereist. Die ersten Plätze der Ehrenreihenfolge der Patriarchatssitze lauten: Konstantinopel (heute Istanbul) – Alexandrien (heute bei Kairo) – Antiochien (Syrien) – Jerusalem – Moskau. Mit Antiochien und Moskau haben damit auch zwei dieser Patriarchate die Teilnahme verweigert.
Hintergrund des Fernbleibens der Patriarchen ist unter anderem die Spannung zwischen den griechisch/byzantinisch geprägten und den slawisch geprägten Kirchen. Erstere haben den historischen Vorrang als Ursprung der Kirchen, letztere machen die große Mehrheit der Gläubigen und Bischöfe aus. Derzeit hat im Konzil jede Kirche eine Stimme, das gibt den ‚Griechen‘ die Mehrheit. Moskau würde gerne nach Zahl der Bischöfe abstimmen, dann hätten die ‚Slawen‘ das Übergewicht. Strittig ist etwa auch die Sitzordnung. Der Ökumenische Patriarch sitzt immer vorne, Moskau sieht das als Verpäpstlichung und will eine völlig gleichberechtigte Sitzordnung.
Obwohl man aus über 100 Themen nur sechs ausgewählt hat, die auf dem Konzil beschlossen werden sollen, da für die anderen Themen sowieso keine Einigung zu erwarten ist, sind auch diese sechs Themen umstritten, vor allem die Papiere zur Ökumene („Das Verhältnis der Orthodoxen Kirche zur übrigen christlichen Welt“), zu den Mischehen, zum Fasten und zur Frage, wie eine unabhängige (autokephale) Kirche entsteht.
1965 hob Papst Paul VI. am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils die Verurteilung des Ökumenischen Patriarchen auf. Seitdem gilt das Schisma von 1054 im Prinzip als beendet, auch wenn die meisten orthodoxen Kirchen die katholische Kirche nicht als „Kirche“ anerkennen – die protestantischen Kirchen sowieso nicht. Bereits in Erwartung dieses Ereignissen begannen 1961 die Vorbereitungen für ein Orthodoxes Konzil. 55 Jahre und 2 Jahre intensiver Vorbereitung drohen nun durch das Fernbleiben von vier Kirchen zunichtegemacht zu werden, obwohl die Patriarchen aller vier Kirchen noch im Januar in Chambesy bei Genf ihr Kommen hoch und heilig versichert hatten.
Letztes Konzil vor über 1200 Jahren
Von den 250 Millionen orthodoxen Christen weltweit gehören allein 150 Millionen der Russisch-Orthodoxen Kirche an. Mit den westlichen Kirchen haben die orthodoxen Kirchen die ersten sieben Konzile gemeinsam, von denen das letzte 787 in Nikaia, heute Iznik, in der Nähe des heutigen Istanbul stattfand („Nizäa II“). Danach kam es zu einer zunehmenden Entfremdung, die 1054 in der gegenseitigen Verbannung des Oberhauptes der anderen Kirche gipfelte – das Schisma zwischen Ost- und Westkirche. Aus diesem Anlass hatten die Oberhäupter der orthodoxen Kirchen letztmalig einen gemeinsamen Beschluss gefasst – also vor über 1000 Jahren.
Heutige Situation
Die Oberhäupter der 14 selbstständigen („autokephalen“) Kirchen sind unabhängig und gleichberechtigt, also auch diejenigen, die nur den Titel Erzbischof tragen und jüngeren und kleineren Kirchen vorstehen, so etwa die Tschechisch-Slowakische Orthodoxe Kirche und die Polnisch-Orthodoxe Kirche, die überhaupt nur drei bzw. vier Bischöfe haben. An dem Konzil nehmen 170 Bischöfe teil. Jede Kirche kann neben ihrem Haupt 24 Bischöfe entsenden, hat die Kirche weniger als 24 Bischöfe, entsendet sie alle. Dazu kommen je sechs Berater. Nur das Ökumenische Patriarchat und die Albanisch-Orthodoxe Kirche haben auch Frauen als Berater berufen.
Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel trägt seinen Namen, weil er allein für die ganze Welt (Ökumene) den Ehrenvorrang hat und nur er ein Konzil einberufen kann, aber er ist kein Papst und hat keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den Anderen.
Tatsächlich wird sein Wirken von Istanbul aus von den türkischen Behörden stark eingeschränkt, während sein Gegenspieler, der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill (Kirill) I. über große Finanzmittel, die Rückendeckung des russischen Staates und mehr als das Zehnfache an Gläubigen verfügt.
In Deutschland leben schätzungsweise zwei Millionen orthodoxe Christen verschiedener Kirchen. Mit der 2010 gegründeten Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, zu der zehn Bischöfe aus sieben Kirchen gehören, ist die Einheit oder wenigstens Gemeinsamkeit der orthodoxen Kirchen weiter fortgeschritten als auf internationaler Ebene. Vorsitzender ist der in Bonn ansässige Metropolit Augoustinos, der griechisch-orthodoxe Exarch für Europa.
Die Arbeitssitzungen des Konzils finden bis zum 25. Juni in der malerisch gelegenen Orthodoxen Akademie von Kolymvari in der Nähe von Chania zwei Stunden von Heraklion entfernt an der Nordwestspitze Kretas statt. Das Konzil endet dann mit einer „Göttlichen Liturgie“ am kommenden Sonntag, den 26. Juni in Chania.
Sowohl die abschließende Sitzung als auch der letzte Gottesdienst können im Livestream verfolgt werden:
- Schlussversammlung des Konzils: Samstag, 25.06.2016, 16:00-18:30 Uhr (deutscher Zeit)
- Abschlussgottesdienste in Chania: Sonntag, 26.06.2016
- Morgenoffizium / Orthros: ab 7:00 Uhr (deutscher Zeit)
- Göttliche Liturgie: ab 8:00 Uhr (deutscher Zeit)
Downloads und Links:
- Offizielle Seite des Ökumenischen Patriarchats zum Konzil
- Offizielle gemeinsame Seite der orthodoxen Kirchen zum Konzil
- Ausschnitte aus dem Eröffnungsgottesdienst des Konzils am 19.06.2016 / orthodoxes Pfingstfest im ZDF-Fernsehgottesdienst
- Orthodoxe Akademie von Kreta
- Alle Fotos © IIRF / Titus Vogt
- Foto 1: Die Orthodoxe Akademie von Kreta in Kolymvari, wo das Konzil seine Arbeitssitzungen abhält
- Foto 2: Während der morgendlichen „Göttlichen Liturgie“ am 18.06. in der Verkündigungskirche in Kissamos unter Leitung von Theodorus II.
- Im Anschluss Begegnungen mit:
- Foto 7: Thomas Schirrmacher im Interview mit dem französischen Sender KTO in Kissamos
- Empfang der orthodoxen Oberhäupter am Abend des 18.06. vor der Titus-Kirche in Heraklion durch den Bürgermeister
- Foto 8: erneute Begegnung mit Theodoros II., Patriarch von Alexandrien
- Foto 9: erneute Begegnung mit Anastasios, Erzbischof der autokephalen Orthodoxen Kirche von Albanien
- Foto 10 und Foto 11: Die orthodoxen Oberhäupter vor der Titus-Kirche
- Foto 12 und Foto 13: während der sich anschließenden Doxologie und Vesper (Abendgottesdienst) in der Titus-Kirche unter Leitung von Bartholomäus
- Foto 14 und Foto 15: Während der „Göttlichen Liturgie“ zum orthodoxen Pfingstfest am Morgen des 19.06. in der St. Menas Kathedrale in Heraklion unter Leitung von Bartholomäus
- Foto 16: Begegnung mit Augoustinos, Metropolit von Deutschland, Exarch von Zentraleuropa, Bonn
- Foto 17: Begegnung mit Stephanos, Metropolit von Tallinn und ganz Estland, Oberhaupt der Estnisch Apostolisch Orthodoxen Kirche
- Foto 18: erneute Begegnung mit Anastasios, Erzbischof der autokephalen Orthodoxen Kirche von Albanien
- Foto 19: während des nachmittäglichen Empfangs durch den Staatspräsidenten von Griechenland, Prokopis Pavlopoulos
- Foto 20: erneute Begegnung mit Theodoros II., Patriarch von Alexandrien, im Rahmen des Empfangs
- Foto 21: während der ersten Arbeitssitzung des Konzils (© Seen Hawkey)
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