Der Papst hat drei evangelikale und drei charismatische Leiter zu einem privaten Gespräch eingeladen, darunter den Vorsitzenden der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), Thomas Schirrmacher. Für pro schildert er seine Eindrücke.
Über die größten Teile des Gespräches wurde zunächst Stillschweigen vereinbart. Unter anderem berichtete der Papst über die in Kürze anstehende Kurienreform und weitreichende Pläne, die das ökumenische Verhältnis zu anderen Kirchen betreffen. Am Rande des Gespräches vereinbarte der Papst mit Schirrmacher eine stärkere Zusammenarbeit in Fragen der Christenverfolgung und des Einsatzes für Religionsfreiheit, eine „Ökumene des Blutes“, wie Franziskus es nannte. Dabei sprachen sie auch über kritische Situationen, in denen katholische und evangelikale Kirchen angesichts von Diskriminierung und Verfolgung mehr gegen- als miteinander arbeiten. Beide Seiten wollen dies ändern.
pro: Herr Schirrmacher, welchen Eindruck hatten Sie vom Papst?
Thomas Schirrmacher: Wenn man bedenkt, dass er gerade die Mafia exkommuniziert hat und die große Kurienreform kurz bevorsteht, die noch tiefer als die bisherigen Änderungen in die Struktur des Vatikan und der Katholischen Kirche eingreifen und auf viel Widerstand stoßen wird, wirkte der Papst sehr aufgeräumt und entspannt. Er nahm sich deutlich mehr Zeit als angesetzt, um uns seine Pläne zu erläutern und sich unsere Fragen anzuhören.
Privat beim Papst, geht das? War denn kein Arbeitszweig des Vatikan involviert?
Ich hatte vorher mit Kurt Kardinal Koch, dem Vorsitzenden des Päpstlichen Rates für die Einheit der Kirchen, ein Informationsgespräch. Danach hat einer der Teilnehmer den Kardinal informiert. Aber wir waren bewusst als Freunde eingeladen, denen der Papst vertraute, das meiste für sich zu behalten und umgekehrt ihm reinen Wein in Bezug auf einige ökumenische Probleme einzuschenken. Deswegen war keine Institution des Vatikan involviert. Der Termin wurde direkt telefonisch mit dem Papst vereinbart. Da es mein dritter Besuch bei ihm war, war die Situation entspannt.
Was war für Sie das entscheidende Ergebnis?
Wie gesagt, das meiste ist vertraulich. Die etwas merkwürdige Teilnehmerliste wird sicher in den nächsten Tagen öffentlich, ob es zu einer Presseinformation kommen wird, ist noch offen. Auch wenn wir nicht in offizieller Mission da waren, haben der Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, Geoff Tunnicliffe, der Globale Botschafter der WEA, Brian Stiller, und ich vor allem die Christenverfolgung thematisiert. Dies ist ein Thema, das den Papst tief aufwühlt, und zwar nicht nur, wenn es Katholiken betrifft. Er hat uns für die Zukunft eine viel engere Zusammenarbeit zugesagt. Einige der diskutierten oder schon geplanten gemeinsamen Aktionen werden sicher in Kürze bekanntgegeben werden.
Privater Plausch vor Theologie, der neue Weg der Ökumene?
Der Papst hat uns sehr viel über seine theologische Sichtweise anvertraut, ganz auf einer Linie mit dem ausgezeichneten Apostolischen Schreiben vom November 2013 „Evangelii Gaudium“, das bis auf das Schlusskapitel über Maria eine schon fast evangelikal zu nennende Bibelarbeit über Evangelium und Evangelisation enthält. Wir waren ebenso theologisch gut vorbereitet und hatten mit Thomas K. Johnson und Titus Vogt zwei Experten der Theologischen Kommission der WEA in Rom mit dabei. Die Zeiten, in denen Dialog und Ökumene nur funktionieren, indem man nicht offen mit theologischen Wahrheitsfragen umgeht, sind meines Erachtens ebenso vorbei wie ein notwendiger Dialog mit anderen Religionen, der meint, vorab den eigenen Glauben in Frage stellen zu müssen.
Vielen Dank für das Gespräch! (pro)
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