Prof. Thomas Schirrmacher richtet anlässlich der Vorstellung der Jahrbücher für Religionsfreiheit einen Appell an deutsche Verantwortungsträger
Im Rahmen der Vorstellung der Jahrbücher für Religionsfreiheit und Verfolgung und Diskriminierung von Christen am 11.12.2023 in Berlin richtete Prof. Thomas Schirrmacher, Präsident des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit (IIRF) sowie der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR), einen Appell an die Bundesregierung und die deutschen Landesregierungen.
Religionsfreiheit müsse durch einen demokratischen Staat geschützt werden. Der Staat sei besonders gefordert, wenn diejenigen, die er schützt, Andersgläubige bedrohen oder gar angreifen.
„Schützen und durchsetzen gehört zusammen. Wenn Häuser, in denen Juden leben, gekennzeichnet werden und auf unseren Straßen religiös motivierter Hass verbreitet wird, muss der Staat mit äußerster Entschiedenheit gegen die Täter vorgehen“, erklärte Schirrmacher.
Mitten in Europa hätten religiöse Intoleranz, antichristliche und antisemitische Hassverbrechen und Gewaltaufrufe Hochkonjunktur. Nach Juden seien Christen die am meisten angegriffene religiöse Gruppe. Dazu zählen nicht nur alltägliche Bedrohungen, Beleidigungen, Ausgrenzungen und andere Diskriminierungen, sondern auch schwerste Körperverletzungen, Morde, Brandanschläge und Messerangriffe. Demgegenüber forderte Schirrmacher:
„Wer unsere jüdischen Mitbürger oder das Existenzrecht Israels in Frage stellt, dem muss der deutsche Staat entgegentreten!“
Auch kleine Religionsgemeinschaften brauchen Schutz
Eintreten für Religionsfreiheit bedeute nicht nur, sich für große Religionsgemeinschaften wie Christen oder Muslime einzusetzen, wenn diese diskriminiert werden. Genauso gälte es, Gläubige aus kleinen Religionsgemeinschaften, wie zum Beispiel die indigener Völker in Lateinamerika zu schützen. Im aktuellen Jahrbuch Religionsfreiheit wird dies von mehreren Autoren thematisiert. Frank Schwabe, Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, ist einer dieser Autoren. Er erläuterte die Spiritualität der indigenen Völker als neues, wichtiges Thema der Religionsfreiheit. Die Anerkennung indigener Religionen und Weltanschauungen als grundlegende Bestandteile der Religionsfreiheit und kulturellen Vielfalt sei von zentraler Bedeutung für die nachhaltige, partnerschaftliche und friedliche Entwicklung unserer Welt. Weiter erklärte Schwabe:
„Christinnen und Christen – die größte Glaubensgemeinschaft weltweit – sind von der Verletzung der Religionsfreiheit besonders betroffen. Nirgends dürfen wir in unserem Einsatz nachlassen, wie aktuelle Beispiele etwa aus Indien, China oder Nigeria zeigen. Dabei müssen wir aus Gründen der Glaubwürdigkeit den weiten Horizont der vielen Verletzungen der Religionsfreiheit beibehalten.“
Verquickung von Staat und religiösem Extremismus
In einigen Staaten erwachse die Verfolgung Andersgläubiger aus einer symbiotischen Verbindung von religiösem Extremismus mit staatlicher Macht. Iran, Myanmar, Indien, Pakistan diskriminieren und verfolgen Andersgläubige systematisch. Dazu würde auch religiöse Unterwerfungs- und Verfolgungsgesetze dienen, die zum Beispiel „angebliche ‚Blasphemie‘ oder ‚Verderben bringen auf Erden‘ unter schwerste Strafen, bis hin zur Todesstrafe stellen“, kritisierte Martin Lessenthin, Menschenrechtsexperte und Mitherausgeber der Jahrbücher. Auch die Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen, die sich zu keiner Religion bekennen oder ihre Abwendung von der Religion öffentlich machen, stiege an. Die islamischen Republiken im Iran, Afghanistan und Pakistan würden dabei besonders in Erscheinung treten.
Verfolger sind totalitäre Staaten und Extremisten
„Religiöse Minderheiten sind aktuell Opfer von Verfolgung durch totalitäre Staaten wie China, Kuba, Nordkorea oder den Gottesstaat Iran. Zugleich sind sie Opfer nichtstaatlicher extremistischer Bewegungen. Religiös-extremistische Verfolger sind unter anderem Islamischer Staat, al-Qaida, al-Shabaab in Somalia, Hisbollah im Libanon, Huthi Milizen im Jemen, Hamas und Islamischer Dschihad in den Palästi-nensergebieten, Hindu-Extremisten in Indien, Boko Haram und islamistische Fulani-Milizen in Nigeria“, erläuterte Lessenthin weiter.
In Staaten wie Kuba und Nicaragua würden Repräsentanten von Religionsgemeinschaften systematisch unter Druck gesetzt, ihre Loyalität zur Staatsführung zu dokumentieren. Wenn sie sich widersetzen, drohe Inhaftierung, Isolation und Zwang gegen andere Gläubige oder Angehörige. „Markenzeichen deutscher Außenpolitik“ müsse immer „verlässliches und engagiertes Eintreten für die Opfer von religiöser Diskriminierung und anderen Menschenrechtsverletzungen“ sein. Jeder politisch Verantwortliche, der mit Deutschland ins Gespräch kommen oder gute Wirtschaftsbeziehungen nutzen möchte, müsse wissen, dass er „an seinem Eintreten für Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit gemessen werde“, so der Menschenrechtsexperte.
An der Pressekonferenz zur Vorstellung der Jahrbücher nahmen außerdem der Generalsekretär der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Matthias Böhning, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Michael Brand, sowie der Vorsitzende der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD), Frank Heinrich, teil.
Die Jahrbücher 2022/23
Das Jahrbuch Verfolgung und Diskriminierung von Christen 2022/23 sowie das Jahrbuch Religionsfreiheit 2022/23 stehen ab sofort kostenlos zum Download und zum freien Verteilen und Bereitstellen auf anderen Internetseiten zur Verfügung.
Die Jahrbücher werden von der Deutschen Evangelischen Allianz auch allen Bundestagsabgeordneten zur Verfügung gestellt. Ähnliches gilt in der Schweiz und in Österreich. Weitere Exemplare zur Weitergabe an Politiker und Kirchenleiter können angefordert werden.
Die Jahrbücher werden von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR), dem Internationalen Institut für Religionsfreiheit (IIRF) sowie den Religionsfreiheitsarbeitskreisen der drei deutschsprachigen Allianzen, der Deutschen Evangelischen Allianz, der Schweizerischen Evangelischen Allianz und der Österreichischen Evangelischen Allianz von Thomas Schirrmacher, Martin Lessenthin und Martin Warnecke herausgegeben.
Die gedruckte Fassung ist am 5.12.2023 im Verlag für Kultur und Wissenschaft (VKW) erschienen. Beide Jahrbücher sind in einem Wendebuch zusammengebunden. Jedes Jahrbuch beginnt auf einer anderen Seite des Umschlags. Beide Bücher als Wendebuch sind zum Preis von 14 Euro über den Buchhandel erhältlich.
Alle Ausgaben der Jahrbücher zur Religionsfreiheit und Christenverfolgung seit 2001 stehen unter http://jahrbuch.iirf.global zur Verfügung.
Bibliografische Angaben
- Thomas Schirrmacher, Martin Lessenthin und Martin Warnecke (Hg.). Jahrbuch Verfolgung und Diskriminierung von Christen 2022/23. Studien zur Religionsfreiheit, Bd. 39. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 2023. ISBN 978-3-86269-280-4. Pb. 269 S. DOI: 10.59484/KDQH3325.
- Thomas Schirrmacher, Martin Lessenthin und Martin Warnecke (Hg.). Jahrbuch Religionsfreiheit 2022/23. Studien zur Religionsfreiheit, Bd. 40. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 2023. ISBN 978-3-86269-281-1. Pb. 248 S. DOI: 10.59484/JBNK6921.
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