Thomas Schirrmacher hat als theologischer Berater der Initiative „Deutschland betet gemeinsam“ (DBG) zur Kritik von Philipp Greifenstein im Weblog „Die Eule“ Stellung genommen.

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Stellungnahme

Auffällig ist, dass der Beitrag nirgends an sich begrüßt, dass ökumenische Zusammenarbeit immer und erst recht in Zeiten der Coronakrise eine gute Sache ist. Man macht keine Vorschläge, wie man es besser machen sollte. Wir vermuten, dass „Die Eule“ so, wie sie sich darstellt, an keiner breiten ökumenischen Initiative beteiligt ist und sein kann.

Auffällig ist auch, dass Beten zu Gott an sich nirgends befürwortet wird. Das Äußerste, zu dem sich der Autor aufraffen kann, ist der Satz: „Beten tröstet und hilft die Gedanken sammeln. Vielleicht auch noch mehr.“ Wenn das alles ist, muss natürlich eine solche Gebetsinitiative an sich schon suspekt sein. Für den Glauben, dass Gebet ein reales Gespräch zwischen Personen ist und unser Schöpfer und Erretter uns zuhört, wenn wir mit ihm sprechen, nehmen wir gerne Spott in Kauf.

DBG hält die Darstellung von „Die Eule“ für eine Karikatur von DBG und findet sich in der Beschreibung der einzelnen Themen nicht wieder. Deswegen soll Folgendes deutlich erklärt werden:

  1. DBG ist kein deutschlandweiter theologischer Gerichtshof, der alle Beteiligten zunächst einer intensiven Recherche und Beurteilung unterzieht. Wer auch sonst mit Christen aller Art zusammenarbeitet und das gemeinsame Glaubensbekenntnis der Kirchen teilt, ist herzlich eingeladen, mitzubeten und auch Ideen einzubringen.
    Die Eule aber überprüft nicht nur alle Unterstützer, sondern berichtet ausführlich über Personen, die gar nicht unterzeichnet haben, aber mit einem Unterstützer befreundet sind. Das gilt etwa für fast alles, was zum Verhältnis zum Judentum gesagt wird. So kann man gegen jeden immer etwas finden. Ökumene wird so aber unmöglich.
  2. DBG benutzt die Worte „Deutschland“ und „Nation“ und ebenso die Farben der deutschen Flagge in ihrer alltäglichen politischen Bedeutung, nicht in irgendeiner geheimnisvollen religiösen oder völkischen Bedeutung. Wir treten vor Gott für alle Menschen in Deutschland ein, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht.
    Die Aussage der Eule: „Wenn Politiker*innen und Gemeindeleiter*innen allerdings in schwarz-rot-goldener Ästhetik die ganze Nation zum Gebet aufrufen, wird man fragen müssen, wer eigentlich einlädt und welcher Ideologie sich das Ansinnen verdankt“, sagt eigentlich mehr über die Eule, als über DBG. Denn keine Kirche verbietet die Nutzung der Farben der deutschen Flagge zur Symbolisierung von Deutschland. Und: Welche Farben hätten wir denn sonst benutzen sollen?
  3. DBG hält alle Menschen und alle Nationen und Völker für gleichwertig vor Gott. Wir sind uns im Klaren darüber, dass es Nationen und Völker gibt, die von der Krise schlimmer betroffen sind oder denen aufgrund von Armut viel schlimmere Konsequenzen drohen, auch für die nicht Infizierten. Da Deutschland aber unser politisches Zuhause ist, nimmt unsere Initiative hier ihren Ursprung. Wir wissen uns aber mit ähnlichen Initiativen weltweit verbunden. Ich selbst habe vor einigen Tagen dem Aufruf von Papst Franziskus folgend, mittags weltweit zusammen mit den globalen Leitern praktisch aller Kirchen gebetet, physisch treffen können wir uns derzeit ja leider nicht.
  4. DBG hat von Anfang an seine Hochachtung vor dem jüdischen Volk zum Ausdruck gebracht und sich gegen Antisemitismus ausgesprochen. Als DBG wissen wir, dass Jesus als Jude gebetet hat und wir als Christen das Gebet von den Juden geerbt haben. DBG kann an dem Umstand, dass das Verhältnis der christlichen Kirche zum jüdischen Volk des Alten Testamentes und der Gegenwart Gegenstand weitreichender theologischer Kontroversen innerhalb der großen Kirchen in Deutschland und darüber hinaus ist, nicht auf die Schnelle ändern. Wir garantieren aber, dass DBG kein Versuch ist, durch die Hintertür jüdische Mitbürger zu vereinnahmen oder zu missionieren. Wir wollen mit ihnen gemeinsam zu dem Gott beten, der der Schöpfer und Erretter der Welt ist.
  5. Die Eule fragt: „Warum gleichen weite Teile des Gebets einem Schuldbekenntnis, ist das Corona-Virus doch eine Folge der Sünde von Menschen oder gar eines ganzen Landes?“ Ganz einfach: weil Christen eben so sind, dass sie mit Buße und Umkehr beginnen. In jedem Gottesdienst, sehr ausgeprägt etwa in der katholischen und der lutherischen Liturgie, bitten Christen Gott jeden Sonntag um Vergebung ihrer Schuld und bekennen, dass sie anderen gegenüber böse gehandelt haben. Nirgends lässt DBG anklingen, dass die Schuld der Christen (oder von sonst jemand) der Grund für die Corona-Krise ist. Zum christlichen Beten gehört immer dreierlei: die Selbstkritik und Demut im Sündenbekenntnis, die Fürbitte und der Dank an Gott.
  6. DBG hat keine besondere Position zur Eschatologie (Endzeit) über die im Apostolischen Glaubensbekenntnis Genannten hinaus. Diese christlichen Lehraussagen werden aber nicht eigens thematisiert.
    DBG nimmt keine Verortung der gegenwärtigen Krise in irgendeinem eschatologischen Fahrplan vor und argumentiert nicht mit „der Endzeit“. Etwaige Randüberzeugungen einzelner Unterstützer stehen nicht für die Initiative und erhalten auch keine Plattform, ihre Sichtweise über DBG zu verbreiten. „Die Eule“ macht aber deutlich, dass sie die im Apostolischen Glaubensbekenntnis genannten christlichen Lehren, wie die Wiederkunft Jesu und das Jüngste Gericht, an sich für gefährlich und lächerlich hält.
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6 Kommentare

  1. Cornelia Hansen sagt:

    Zu Punkt zwei
    Meiner Meinung nach sind überhaupt keine Farben in Zusammenhang mit dieser gebetsinitiative nötig.
    Auch den Titel Deutschland betet halte ich für unangemessen.passender wäre gewesen
    Christen beten gemeinsam.

    Wir waren heute dabei. Die Initiative an sich finde ich super.dennoch stellten sich mir einige Fragen,z.b.
    Warum es keine größere musikalische Bandbreite gab,warum ein einziger Politiker beteiligt war und noch ein paar Einzelheiten.
    Ich wünsche mir, dass die Vielfalt unserer christlichen Welt nicht unterschlagen wird.

  2. EinFragender sagt:

    Ich habe im Vorfeld schon von den Unsinn gelesen was die „Eule“ so verkündet. Es wurde auch gemeint das sich Johannes Hartl wichtig machen will und sonstiger Unsinn!

    So etwas gibt es immer und jeder der ein wenig in der christlichen Welt unterwegs ist und die Augen auf macht wundert sich über solche Worte und merkt auch den bewusst verletzenden Charakter.

    Nicht ärgern lassen. Es war ein tolles Erlebnis mit so vielen Menschen zu beten und die Liebe zu Gott zu teilen. Ich danke allen Organisatoren und Teilnehmern!

  3. Herr Otto sagt:

    @Cornelia Hansen: Liebe Frau Hansen, auf der Internetseite von DBG werden rund 20 Politiker genannt, die die Initiative unterstützen – also doch mehr als einer!? Ich denke, wie man in einem Gottesdienst auch nicht alles unterbringen kann, was gewünscht wird, so ist es auch bei einer solchen Veranstaltung. Vielleicht gibt es noch weitere solcher Veranstaltungen mit anderen Elementen, anderer Musik usw. Jedenfalls denke ich nicht, dass da irgendwer etwas unterschlagen wollte – man muss so eine Veranstaltung ja irgendwie umsetzen und kann nicht immer alle Möglichkeiten einbauen. Herzliche Grüße!

    @EinFragender: Ich denke Grund für diese Reaktion hier ist vor allem, dass etwa der Deutschlandfunk die Darstellung von „Die Eule“ einfach übernommen hat, offenbar ohne sich mit den Vertretern von DBG auseinander oder gar in Verbindung gesetzt oder das Ganze gründlich zu recherchiert zu haben. Das zeugt m.E. nicht gerade von journalistischer Qualität und macht eine Reaktion wie dieser hier nötig. Herzliche Grüße!

  4. Regina sagt:

    Sehr geehrter Herr Schirrmacher,

    vielen Dank für Ihre Stellungnahme. – Ich persönlich möchte gerne wissen, warum die anfangs auf der DBG-Homepage in der Unterstützer-Liste genannten beiden Vertreter des (rabbinischen) Judentums in Deutschland mittlerweile nicht mehr in der Unterstützer-Liste erscheinen? Wurden diese entfernt und wenn ja, warum?

  5. simone sagt:

    @Herr Otto.
    Ich war auch bestürzt die unreflektiert Berichterstattung im Deutschlandfunk zu lesen und hatte und habe auch das dringende Bedürfnis dazu Stellung zu nehmen.
    Der Aufruf gestern gemeinsam zu beten für Deutschland und wie auch immer wieder betont wurde, für die Welt war nicht nur wichtig und nötig, sondern unsere dringende Aufgabe als Christen. Ein angenehmes Christentum, wie esin unsere deutsche Gesellschaft schön reinpasst, darf nicht alles sein. Ein bisschen Pastorentum und Heldentum in den Nachrichten, wir loben alle die sich engagieren und Gutes tun (Ist natürlich schön und gut), aber nur nicht zu vie Glaube. Ein bisschen Engel hier, ein bisschen Trösten da ist ok, nur nicht zu Umkehr und Buße aufrufen, denn dann müssten wir uns ja wirklich ändern.
    Doch genau darum geht es und es war gestern sehr moderat formuliert : nur Serafim hat es klar ausgesprochen und der kam am Anschluss und war zum Beispiel bei Bibel TV gar nicht mehr zu sehen.
    Alles hier passiert in der Fastenzeit zu Ostern, wie damals in Ninive. Wir brauchen Könige die unser Land, unsere Welt (=Ninive) zur Umkehr aufrufen. (Und bitte jetzt nicht wieder den Bezug zum AT diskreditieren. Das Christentum und Judentum gehören zusammen. Man kann das NT nicht ohne das AT lesen.)
    Gestern war ein Anfang. Es muss weitergehen. Das hat nichts mit Endzeit oder Hardcore Evangelikalen zu tun.
    Unser Land und die Welt braucht gelebte Solidarität und dafür steht Jesus, unser Herr, zu dem sich die Veranstalter von DBG bekannten und bekennen.
    Und ganz wichtig: meine jüdische Freundin, deren Eltern 1941 noch aus Deutschland fliehen konnten, unterstützt solche Initiativen, weil sie weiß, dass es um das eine geht: Liebe. Dagegen kann doch auch niemand etwas haben und dafür steht unser Gott.

  6. TTheresa sagt:

    Sehr geehrter Herr Schirrmacher,
    Danke für Ihre Stellungnahme, Sie sprechen vielen aus der Seele. Ökumene ist immer ein Kompromiss, da es ein Besinnen auf die Gemeinsamkeiten, trotz aller Unterschiede ist.

    Wenn „die Eule“ kritische Meinungen zur Kirche, Kultur und Politik anbieten möchte, entspricht das ihrem Konzept. Aber wer differenziert berichten möchte, muss Positives, sowie Kritisches nennen.
    Ich gehöre zu der „jungen Generation“, an welche „die Eule“ adressiert ist. Ich bin Christ und reflektiere was ich höre kritisch, gern auch solche Artikel. Doch ich finde es schade und nicht zielführend, so offen gehaltene Aktionen wie DBG, welche Hoffnung und Gemeinschaft stiften sollen, so einseitig darzustellen.
    Daher danke ich Ihnen für Ihre schnelle Reaktion. Ich denke, sie hilft einigen Lesern, sich eine etwas ausgewogenere Meinung zu bilden.

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