Autor: Thomas Paul Schirrmacher | Quelle: idea.de | Foto: pixabay.com

Die Zeremonie für die Krönung von Charles III. zum König von Großbritannien und Oberhaupt der Kirche von England ist eine uralte Liturgie. Sie ist vom alttestamentlichen Gedanken der Einsetzung von König David und der Könige von Israel geprägt und deswegen voller biblischer Sprache.

Historisch faszinierend, vermittelt sie aber theologisch eine eher mittelalterlich-vorreformatorische Rolle des Königs als von Gott eingesetztem Oberhaupt des Staates und der anglikanischen Kirche. Das ist in der Realität natürlich schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts überholt, seitdem Großbritannien eine parlamentarische Monarchie wurde, spätestens aber seitdem Großbritannien völlige Religionsfreiheit gewährt.

Charles III. nimmt einige Änderungen rund um die Krönungszeremonie vor, keine davon jedoch betrifft den Kern der mit Bibeltexten unterlegten Theologie. Dem Wunsch, der allzu vollmundigen Sprache etwas die Spitze zu nehmen, etwa in Anlehnung an die Krönungszeremonien anderer europäischer Monarchien, wird Charles III. wohl kaum entsprechen.

Rasanter Abstieg

Die persönliche, starke und überzeugende Frömmigkeit von Königin Elizabeth II. hat die tiefgreifende Veränderung der anglikanischen Kirche seit ihrer Krönung 1953 gewissermaßen überlagert. Damals war die Staatsreligion auch die Mehrheitsreligion und für England die Alltagsreligion. Seitdem verläuft die Entwicklung der Abwendung von der anglikanischen Kirche noch schneller als von den Gliedkirchen der EKD in Deutschland.

Gegenüber den 30 Prozent im Jahr 2000, die sich der anglikanischen Kirche zurechneten, hat sich die Zahl bis heute noch einmal halbiert. Seit 2016 gehen mehr Katholiken in Großbritannien sonntags in die Kirche als Anglikaner. Selbst Weihnachten gehen nur 2,5 Millionen Anglikaner in Großbritannien zur Kirche, mehr als dreimal so viele wie an einem normalen Sonntag.

Spätestens seit dem Tod von Königin Elizabeth II. wäre also eine Diskussion darüber, dass der anglikanische Glaube mittlerweile eine Minderheit in Großbritannien darstellt, aber auch die Frage, wie die Kirche wieder missionarisch und gewinnend werden kann, das oberste Gebot. Charles III. hat bisher nicht erkennen lassen, dass ihn die Entwicklung besorgt, aber auch nicht, dass die politische Formulierung der Rolle des Königs als Oberhaupt der Kirche von England der Realität des Minderheitenstatus angepasst werden sollte.

Eine gespaltene Kirche

Die Krönung findet zu einer Zeit statt, da sich die anglikanische Kirche als weltweite Gemeinschaft gerade gespalten hat. Mehr als drei Viertel der Bischöfe weltweit haben erklärt, dass der Erzbischof von Canterbury nicht mehr ihr Ehrenoberhaupt ist, womit sie sich auch vom englischen König losgesagt haben. Es ist sicher kein Zufall, dass dies erst nach dem Tod von Königin Elisabeth II. geschieht.

Die Gründe sind aber längst nicht nur theologischer Natur, auch wenn die Sexualethik das Prisma war, das viele Fragen bündelte. Auch der Umstand, dass eine globale Kirche mit Schwerpunkt Globalem Süden, deren Ehrenoberhaupt von einem kleinen Kreis von Engländern und vom britischen Parlament ausgewählt wird und Engländer sein muss, keinen strukturellen Weg der Globalisierung der Leitungsstruktur kennt, spielt eine wichtige Rolle. In keinem Land der Erde kann zudem die anglikanische Kirche noch etwas damit anfangen, dass ausgerechnet im säkularen England Staat und Kirche symbolisch verschmolzen sind.

Charles wird eher als Katholik wahrgenommen

Interessanterweise hat sich Charles III. bisher nicht erkennbar um diese Problematik bemüht. Es gibt keinen Hinweis, dass er die anglikanische Kirche je als globale Kirche wahrgenommen hat. Er wird in seiner persönlichen Frömmigkeit von den Anglikanern des Globalen Südens, anders als seine Mutter, auch nicht als Anglikaner oder Protestant wahrgenommen.

Es ist auch schwer vorstellbar, dass Charles III., wie es der selbst dem evangelikalen Glauben zuneigende Erzbischof von Canterbury seit Jahren tut, nur versuchen könnte, die Bischöfe des Globalen Südens zu verstehen, geschweige denn auf sie zuzugehen und einen Kompromiss zu suchen.

Charles III. will alle Religionen schützen. Aber er trennt nirgends diese selbstverständliche Aufgabe eines Staatsoberhaupts von seiner Aufgabe als Oberhaupt der evangelischen Kirche Englands. Seine Mutter hat die wachsende Religionsfreiheit in Großbritannien wohlwollend begleitet. Aber sie hat dies nicht mit ihrer Aufgabe als „Defender of the Faith“ verwechselt. Denn bereits bei seinem Amtsantritt hat Charles III. geschworen, nicht nur „den Glauben“ der Anglikaner, sondern auch den protestantischen Glauben der Schotten „aufrechtzuerhalten“.

Würde man die Vorliebe von Charles III. für eine Konfession aus seinen Aktivitäten, Reisen und Äußerungen über Jahrzehnte ableiten wollen, würde man ihn nicht für einen Protestanten, sondern eher für einen Katholiken halten. Erst seit seinem Amtsantritt hat er sich direkt, wenn auch recht allgemein, zum anglikanischen Glauben bekannt. 1985 musste ihm bei seinem Besuch von Papst Johannes Paul II. seine Mutter untersagen, an der katholischen Messe teilzunehmen, ihm war nicht bewusst, wie heikel die Angelegenheit war.

Kein persönliches Bekenntnis

Während seine Mutter eher dem traditionellen evangelikalen Flügel („low church“ genannt) der Kirche von England zuzurechnen war und ein sehr persönliches Verhältnis zur presbyterianischen Kirche Schottlands hatte, ist Charles III. eher dem anglo-katholischen Flügel („high church“ genannt) zuzurechnen. 2019 nahm er an der Kanonisierung von St. John Henry Newman durch die katholische Kirche im Vatikan teil, der vom anglikanischen Glauben zum katholischen Glauben konvertiert war, und beschrieb ihn als Vorbild.

Das alles kommt auch darin zum Ausdruck, dass seine Mutter – vor allem in ihren Weihnachtsansprachen – ihren ganz persönlichen Glauben an Jesus verbalisiert hat, ja eine besondere Beziehung zu herausragenden Vertretern eines sehr persönlichen, evangelisch-evangelikalen Glaubens hatte, so zu John Stott jahrzehntelang als Hofprediger oder zu Billy Graham als einem ihrer häufigsten ausländischen Gäste. Ein ähnliches persönliches Bekenntnis ist bisher von Charles III. nicht bekannt.

 

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