Muslime haben im Rahmen der Religionsfreiheit zwar Anspruch auf eigene religiöse Gebäude, also auch Moscheen und Minarette, und dies selbst mit dem unverstärkt gesungenen Gebetsruf. Doch es müsse diskutiert werden, ob der lautsprecherverstärkte Gebetsruf vom Minarett nicht die Glaubensfreiheit von Nichtmuslimen verletze. Diese Auffassung vertritt der Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit in einem Beitrag für das IIRF-Bulletin 2014/4.

Cover Der lautsprecherverstärkte islamische Gebetsruf vom Minarett verletzt die negative Religionsfreiheit!?

In der juristischen Literatur werde der lautsprecherverstärkte Gebetsruf einfach mit dem liturgischen (also nicht mit dem sog. „weltlichen“) Glockengeläut gleichgesetzt. Zwar könne der lautsprecherverstärkte islamische Gebetsruf nur durch ein anderes Menschenrecht eingeschränkt werden, und da sei für den Regelfall keines in Sicht, das infrage käme. Aber das Recht auf Religionsfreiheit selbst könnte beschränkende Funktion haben. Das Recht auf Religionsfreiheit schließe nämlich die sogenannte ‚negative‘ Religionsfreiheit ein, das Recht also, nicht zur Teilnahme an religiösen Handlungen usw. gezwungen zu werden.

Die Gleichsetzung zwischen lautsprecherverstärktem Muezzinruf müsse infragegestellt werden, weil – so Schirrmacher wörtlich –

„der Muezzinruf dadurch, dass er ein verbales Glaubensbekenntnis enthält, andere Menschen zwingt, fünfmal täglich an der Religionsausübung einer anderen Religion teilzunehmen und somit die sogenannte negative Religionsfreiheit betrifft. Die Frage nach der Bewertung des lautsprecherverstärkten islamischen Gebetsrufs wird sich am Ende also darauf konzentrieren müssen, ob der Umstand, dass der Muezzinruf ein formuliertes Glaubensbekenntnis ausruft, an dem auch Nichtmuslime durch Zuhören teilnehmen müssen, die negative Religionsfreiheit verletzt oder ob man dies verneint, indem man entweder sagt, dass ein reines Zuhören noch keine negative Religionsfreiheit verletzt, oder aber argumentiert, dass bei uns sowieso keiner Arabisch versteht. Eine Parallele zum Muezzinruf ist jedenfalls meines Erachtens nicht das Glockengeläut, sondern wäre vorhanden, wenn das christliche sog. Apostolische Glaubensbekenntnis lautsprecherverstärkt für all hörbar und verstehbar von den Kirchtürmen gesungen würde, bis es einem nicht mehr aus dem Kopf geht (‚Ohrwurm‘).“

Sicher hätte diese Frage in Deutschland eines Tages das Bundesverfassungsgericht zu klären.

„Zugegeben, das Thema ist ein umstrittenes Gebiet und ich bin kein Fachjurist, sondern betrachte die Sache vor allem aus der Sicht des Soziologen und Menschenrechtlers, so dass hier viel Raum für Juristen bleibt, mich zu überbieten. Aber dennoch will ich die Diskussion anstoßen“, fügte Schirrmacher hinzu.

iirf_bulletin_2014_4b
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2 Kommentare

  1. Uwe sagt:

    Neben der Frage nach der „negativen Religionsfreiheit“ wäre noch zu klären, ob nicht eine verstärkte Wiedergabe grundsätzlich der Genehmigung bedarf. Oder anders ausgedrückt: Ist nicht jede Verstärkung verboten, wenn es keine Genehmigung gibt?

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