Die Bischofssynode (Schirrmacher dritte Reihe von hinten, dritter von links mit Glatze) (Foto: Fotografia Felici, Rom)

Die Bischofssynode (Schirrmacher dritte Reihe von hinten, dritter von links mit Glatze) (Foto: Fotografia Felici, Rom)

Der Papst und die katholische Weltsynode hatten die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) eingeladen, anlässlich des 50jährigen Jubiläums des 2. Vatikanischen Konzils und des Synodenthemas „Neuevangelisierung“ kurz ihre Sicht zur „Evangelisation“ darzulegen. So erarbeitete die Theologische Kommission der WEA eine Erklärung, „Evangelisation: Das Markenzeichen des evangelikalen Glaubens“, die der Generalsekretär der WEA, Dr. Geoff Tunnicliffe, vor Papst und Synode persönlich vortrug.

Sie begann mit den Worten: „Evangelisation bedeutet die Proklamation des rettenden Werkes Jesu Christi am Kreuz und durch seine Auferstehung in Worten, Taten und christlichem Charakter. Evangelisation steht im Zentrum dessen, was die evangelikale Identität ausmacht. Wir bekräftigen, dass es nicht möglich ist, ohne radikale Hingabe an die Weltevangelisation wahrhaft evangelikal zu sein.“

Immer noch im ersten Absatz erklärt die WEA, dass es neben der Evangelisation noch zwei weitere Charakteristika der evangelikalen Bewegung gibt, nämlich „dass Jesus Christus der einzigartige Retter der Menschheit und Herr der Schöpfung ist und dass die Schrift die höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und Lebensführung ist“.

Als Weltweite Evangelische Allianz waren wir auf der Weltsynode der Katholischen Kirche im Vatikan dabei und haben auch die Entstehung der dazugehörigen Dokumente erlebt. Ich möchte einmal vor Augen führen, was für positive Aussagen die Propositionen der Synode enthalten, die Evangelikale nur gut heißen können. Der Text selbst findet sich hier und hier.

Der 3. Abschnitt steht unter der Überschrift: „Die persönliche Begegnung mit Jesus Christus in der Kirche“. Er beginnt mit den Worten:

„Bevor wir etwas zu den Formen sagen, die diese neue Evangelisierung annehmen soll, möchten wir euch mit tiefer Überzeugung sagen, dass sich der Glaube ganz in der Beziehung entscheidet, die wir mit der Person Christi aufbauen, der uns als erster entgegengeht.“

Neben der persönlichen Beziehung zu Jesus steht eine Gemeinde, die von Beziehung geprägt wird. Im selben 3. Abschnitt heißt es:

„Wir müssen einladende Gemeinden bilden, in denen alle Ausgegrenzten ihr zu Hause finden, sowie konkrete Erfahrungen von Gemeinschaft ermöglichen, die mit der glühenden Kraft der Liebe – ‚Siehe, wie sie sich einander lieb haben‘ (Tertullian, Apologeticus, 39, 7) – den ernüchterten Blick der Menschen von heute auf sich ziehen.“

Von der Beziehung zu Jesus geht es nahtlos und natürlich zur Bibel weiter, denn der 4. Abschnitt „Die Gelegenheiten der Begegnung mit Jesus und das Hören der Heiligen Schrift“ setzt diese Gedanken fort. Darin heißt es:

„Das häufige Lesen der Heiligen Schrift, erleuchtet von der Überlieferung der Kirche, die sie uns übergibt und sie authentisch auslegt, ist nicht nur ein verpflichtender Schritt, um den Inhalt des Evangeliums, d. h. die Person Jesu innerhalb der Heilsgeschichte, zu kennen, sondern es hilft uns auch, neue Räume der Begegnung mit zu finden, wahrhaft in der Art und Weise des Evangeliums, verwurzelt in den grundlegenden Dimensionen des menschlichen Lebens: Familie, Arbeit, Freundschaft, Armut, Prüfungen des Lebens, etc.“

Auch wenn hier ‚gut katholisch‘ die Kirche eine amtliche Auslegungsfunktion hat, werden doch ‚gut evangelikal‘ die Beziehung zu Jesus und das Hören auf die Schrift aufeinander bezogen und das immer neue Bibelstudium hilft, alle Bereiche des Lebens am Evangelium auszurichten.

Gut evangelisch ist auch die Vorordnung des Wirkens Gottes im 6. Abschnitt:

„Angesichts der Fragen, die die heutigen vorherrschenden Kulturen dem Glauben und der Kirche stellen, erneuern wir unser Vertrauen auf den Herrn, in der Gewissheit, dass das Evangelium auch dort Träger des Lichtes ist und fähig, alle Schwächen des Menschen zu heilen. Nicht wir sind es, die das Werk der Evangelisierung vollbringen, sondern Gott, wie uns der Papst in Erinnerung gerufen hat: ‚Das erste Wort, die wahre Initiative, das wahre Tun kommt von Gott, und nur indem wir uns in diese göttliche Initiative einfügen, nur indem wir diese göttliche Initiative erbitten, können auch wir – mit ihm und in ihm – zu Evangelisierern werden.‘ (Benedikt XVI., Meditation bei der ersten Generalkongregation der Bischofssynode, Rom, 8. Oktober 2012)“

Erfreulich – sogar für mich persönlich – ist, dass im 10. Abschnitt Fundamentalismus nicht mehr als ein bestimmtes Schriftverständnis verstanden wird, sondern so, wie ich es in meinem Buch ‚Fundamentalismus‘ verstehe, als Gewalt und Verletzung der Menschenrechte im Namen einer Wahrheit. Dass sich direkt ein Hinweis auf Christenverfolgung und ein Appell für die Religionsfreiheit folgt, liegt auf derselben Linie:

„Der Dialog unter den Gläubigen der verschiedenen Religionen will ein Beitrag zum Frieden sein. Er weist jeglichen Fundamentalismus zurück und verurteilt jegliche Art von Gewalt gegen die Gläubigen, die eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte darstellt. Die Kirchen auf der ganzen Welt wissen sich ihren leidenden Schwestern und Brüdern in Gebet und Brüderlichkeit verbunden und bitten diejenigen, die das Schicksal der Völker in Händen halten, dass sie das Recht aller auf eine freie Wahl, ein freies Bekenntnis und ein freies Zeugnis des Glaubens schützen.“

Welche katholischen Besonderheiten werden denn in dem Dokument erwähnt? Neben dem schon erwähnten besonderen Lehramt der Kirche (Abschnitt 4) und dem „geweihten Leben“ (Abschnitt 7) ist der Schlussabschnitt 14 ganz Maria gewidmet, wenn auch – typisch für die Amtszeit von Papst Benedikt XVI. – keines der großen Mariendogmen direkt erwähnt wird.

 

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