Warum stehen eigentlich Politiker täglich im Rampenlicht, Richter, Journalisten oder Professoren dagegen nicht?
Journalisten nehmen täglich jede Regung von Politikern auseinander. Wem sind sie verpflichtet, mit wem verbandelt, was wollen sie eigentlich? Wen treffen sie, was haben sie auf dem Schulhof als Schüler gesagt, wie sieht es mit ihrer privaten Moral aus?
Warum müssen sich dieselben Journalisten eigentlich nicht selbst derselben öffentlichen Sezierung aussetzen? Journalisten können Politiker stürzen, Politiker Journalisten in der Regel nicht – von der Ausnahme von ARD und ZDF sehen wir einmal ab. Also müsste doch die Frage, wie glaubwürdig Journalisten sind, ob sie selbst leben, was sie predigen, welchen Dreck sie aus der Vergangenheit am Stecken haben, wer ihnen finanzielle Zuwendungen macht, welcher Partei sie angehören oder verpflichtet sind, die Öffentlichkeit enorm interessieren. Doch die Journalisten bleiben merklich anonym. Auch bei den weltberühmten unter ihnen ist es die Ausnahme, dass man etwas über ihre Weltanschauung, ihr Privatleben, ihre Schwächen weiß. Fälle wie Michael Friedman oder Jörg Kachelmann bleiben die Ausnahme.
Die Macht der Medien ist keine demokratisch legitimierte. Sicher, Demokratie kann ohne freie Medien nicht existieren. Aber von Leser- und Zuschauerzahlen abgesehen muss sich kein Chefredakteur der Tortur eine Wahl durch das Volk unterziehen. Bestenfalls gibt es eine gewisse Kontrolle der Medien untereinander, aber die Bürger des Landes sind nicht gefragt, wenn es um die Macht der Medien geht. Da könnte man nun erwarten, dass bei den Medien doppelt genau hingeschaut wird. Aber Fehlanzeige, nur selten kratzt eine Krähe der anderen ein Auge aus. Die Medien sitzen moralisch immer sehr hoch zu Ross und wissen immer alles besser – vor allem gerne im Nachhinein. Das ist auch sehr einfach, weil sie keiner überwacht und zum Beispiel überprüft, ob sie das, was ihnen heute so klar scheint, denn auch schon vertreten haben, als es noch nicht opportun war oder noch keiner wusste, was herauskommt.
Oder wählen wir die Richter, insbesondere die obersten Richter des Landes. Sie sind oft längst zu Gesetzgebern geworden. Sie ändern Gesetze de facto im Einzelfall oder bei den obersten Gerichten auch so, dass der Gesetzgeber sie ändern muss. Dennoch sind Richter und Richterinnen völlig anonym. Es ist praktisch unmöglich, Genaueres über die Richter des Bundesverfassungsgerichtes, ihre Weltanschauung, ihre Parteiausrichtung, ihre Loyalitäten, ihr Moral und deren Glaubwürdigkeit im Privatleben zu erfahren.
Nun sagen einige, dass das für die Unabhängigkeit der Gerichte gut sei. Aber warum gilt das dann nicht auch für Bundestagsabgeordnete? Das Bundesverfassungsgericht kann Entscheidungen des gesamten Bundestages obsolet machen – und solch mächtige Menschen müssen sich nicht der täglichen Öffentlichkeit stellen?
Gerd Held, mein Lieblingsleitartikler in der WELT, hat in einem Leitartikel die „Anonyme Macht“ der Richter beklagt. Sie fällten folgenschwere Urteile, die sich nicht nachvollziehbar aus irgendwelchen Gesetzestexten ergäben, täten aber so, als seien ihre Entscheidungen neutral, objektiv, alternativlos. Über sie selbst würde man dagegen kaum etwas erfahren, als seien Richter nicht auch in ein Netzwerk moralischer Überzeugungen, Partiezugehörigkeit oder -loyalität, Abhängigkeiten und ideologischer Auseinandersetzungen eingebunden.
Doch auf den Artikel von Held möchte ich im nächsten Blogeintrag näher eingehen.
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