Thesen zu einem Vortrag auf einer Klausurtagung der „AG Menschenrechte und humanitäre Hilfe“ (Leitung: Erika Steinbach, MdB) der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag am 23.2.2015 in der Vertretung des Freistaates Bayern in Berlin zum Thema „Religionsfreiheit und Demokratieentwicklung“. (Einladung als PDF-Download)

Der fehlende Einsatz für Religionsfreiheit als Indikator 1: Global

  • Der Umgang mit der religiösen Minderheit der Juden war der beste Indikator für die Menschenrechtslage im Dritten Reich.
  • Der Umgang mit Christen, Juden, Schiiten und Atheisten ist der beste Indikator für die Menschenrechtslage in Saudi Arabien.
  • Der Umgang mit Christen, Juden, Sunniten, Bahai und Atheisten ist der beste Indikator für die Menschenrechtslage im Iran.
  • Der Umgang mit Christen, Juden, Schiiten, Ahmadiyyas und Atheisten ist der beste Indikator für die Menschenrechtslage in Pakistan.
  • Der Umgang mit Hindus, Christen und Muslimen ist der beste Indikator für die Menschenrechtslage im buddhistischen Sri Lanka.
  • Der Umgang mit Christen, Jesiden, Schiiten ist der beste Indikator für die Menschenrechtslage in den Gebieten des IS in Syrien und im Irak.
  • Dass Griechenland noch nicht völlig Teil der Wertegemeinschaft der EU geworden ist, zeigt am besten die eingeschränkte Religionsfreiheit, denn wegen nichts Anderem verurteilt der EuGMR Griechenland häufiger.

Der fehlende Einsatz für Religionsfreiheit als Indikator 2: Islamische Welt

  • Die Arabellion konnte ohne die Forderung nach Religionsfreiheit keine wirkliche Demokratie werden.
  • Der Versuch, Demokratie einzuführen, scheitert, wenn Religionsfreiheit nicht als Teil der Demokratie gesehen wird, wie etwa Ägypten gezeigt hat.
  • In Libyen, Irak, Syrien, Jemen usw.: Es gibt wenig Hoffnung auf die Rückkehr zu dauerhaften stabilen und friedlichen Verhältnissen in diesen Ländern, unter anderem, weil niemand Religionsfreiheit und den Schutz religiöser Minderheiten auf der Agenda hat, ja bei IS und anderen islamistischen Bewegungen ist die Verfolgung religiöser Minderheiten in und außerhalb des Islam Teil der DNA. Die ersten islamistischen Schriften aus den 1920er Jahren, etwa bei Sayyid Abul Ala Maududi, kreisen darum, wer Ungläubiger ist und deswegen auf keinen Fall Staatsbürger werden sollte, was bei Maududi etwa für Ahmadiyya-Muslime wie Christen gleichermaßen galt.
  • Lange Zeit hat Erdogan in der Türkei viel verbessert, so dass es so aussah, als habe er den Islamismus seiner Frühzeit aufgegeben. Dass er sich aber nicht überwinden konnte, religiösen Minderheiten, besonders Christen, Religionsfreiheit zu gewähren, obwohl etwa die EU das sehr deutlich immer wieder verlangte, hätte für alle ein Beleg dafür sein können, dass er in seinem Herzen Islamist blieb, denn ein Islamist kann einfach nicht für Religionsfreiheit eintreten. (Damit soll nicht bestritten werden, dass Erdogans kemalistische Vorgängerregierungen die Religionsfreiheit viel radikaler beschnitten haben, es manche Fortschritte unter Erdogan gab und der größten Oppositionspartei als Erben des Kemalismus in Sachen Religionsfreiheit nach wie vor nicht zu trauen ist.)
  • Umgekehrt ist der Umstand, dass der neue Präsident von Indonesien lange für Religionsfreiheit eintrat und Jakarta ein Jahrzehnt zusammen mit einem Christen als Vizegouverneur regierte – der das Amt des Gouverneurs automatisch übernahm – ein sehr guter Indikator dafür gewesen, dass sich unter ihm die Menschenrechtslage insgesamt bessert.

Wird Religionsfreiheit mit Füßen getreten, leiden am Ende alle

  • Das Dritte Reich zeigt, dass erst die Juden verfolgt wurden, mit der Zeit aber alle gefährdet waren. So wurde das Anschwärzen des Nachbarn, dass er Kontakt zu Juden habe, immer einfacher. Denn die Einschränkung der Religionsfreiheit religiöser Minderheiten führt schnell dazu, dass auch Anhänger der Mehrheitsreligion betroffen sind und unter die Räder kommen.
  • Ein modernes Beispiel dafür sind die Apostasiegesetze in Pakistan, die ursprünglich für Ahmadiyyas und Christen gemacht wurden, inzwischen aber überwiegend Muslime treffen, die von anderen Muslimen fast immer – selbst im Sinne des irren Gesetzes – zu Unrecht angeschwärzt werden.

Menschenrechte sind eine Einheit und gehören untrennbar zusammen

  • Es ist kein Land der Geschichte oder der Gegenwart bekannt, in dem religiöse Minderheiten unterdrückt wurden oder werden, ansonsten aber die Menschenrechtslage in Ordnung war und ist.
  • Religiöse Minderheiten sind oft zugleich ethnische oder soziale Minderheiten, so dass nicht nur die Religionsfreiheit verletzt wird, wenn sie diskriminiert oder unterdrückt werden. Ein gutes Beispiel sind christliche und buddhistische Dalits in Indien.
  • Menschenrechte bilden eine Einheit in der Menschenwürde und hängen untereinander eng zusammen. Es kommt praktisch nicht vor, dass nur ein einzelnes Menschenrecht isoliert verletzt wird. Ein und derselbe Akt kann aber mehrere Menschenrechte gleichzeitig verletzen, etwa wenn eine Frau einer religiösen Minderheit gefoltert wird, was Frauenrechte, Religionsfreiheit und Folterverbot zugleich verletzt.
  • Religionsfreiheit ist aufs Engste insbesondere mit Gewissensfreiheit und Meinungsfreiheit verbunden, aber auch etwa mit Pressefreiheit, mit Versammlungsfreiheit oder dem Recht auf ein faires Gerichtsverfahren.
  • Wie etwa auch die Pressefreiheit, die Gewissensfreiheit oder Meinungsfreiheit kann Religionsfreiheit nie nur ein privates Recht sein, sondern lebt gerade von dem Recht in der Öffentlichkeit, wie Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in mehrfacher Hinsicht (öffentliche Ausübung, öffentliches Propagieren, Religionswechsel) deutlich macht. Was würde es nützen, seine Meinung nur privat zu Hause haben zu dürfen oder Presseerzeugnisse nur zu Hause formulieren, nicht aber veröffentlichen zu dürfen?
  • Es gehört zum Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen, dass man sich zuerst vor allem auf besonders schwere und prozentual besonders häufige Menschenrechtsverletzungen konzentriert. Deswegen darf man auch von Christenverfolgung sprechen, auch wenn man gegen die Verfolgung jeder religiösen Minderheit ist und für die – sowieso unteilbare – Religionsfreiheit für alle eintritt.

Fazit: Traue niemand, der von Menschenrechten spricht, aber nicht für die Religionsfreiheit anderer eintritt!

 

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